Hier sieht man Aaron auf einer Baustelle in Dänemark.
Ein Bericht von Manfred Kasper über Aaron Freund
Der 20-jährige Aaron Freund war im September 2020 drei Wochen lang über das Programm Erasmus+ im dänischen Lolland, wo er ein Praktikum in einem Tischlereibetrieb absolviert hat. Und das trotz der in ganz Europa grassierenden Corona-Pandemie. Möglich wurde der Auslandsaufenthalt nicht zuletzt dank der intensiven Beratung und Begleitung durch Patricia Ortin-Krause, Projektkoordinatorin Berufsbildung ohne Grenzen bei der Handwerkskammer Lübeck. „Am Anfang hat es sich falsch angefühlt, beim Einkauf im dänischen Supermarkt keine Maske tragen zu müssen“, sagt Aaron Freund und bringt damit die Verunsicherung auf den Punkt, die viele Menschen während der Corona-Pandemie empfinden.
Unsicherheiten waren im Vorfeld seines Auslandspraktikums beinahe an der Tagesordnung, davon weiß auch Patricia Ortin-Krause ein Lied zu singen. Sie vermittelt bei der HWK Lübeck Auslandspraktika für jährlich rund 50 Azubis, die zum Beispiel nach Frankreich, Italien und Spanien sowie in die skandinavischen Länder gehen. Letzteres plante auch Aaron Freund, der im Frühjahr 2020 mit Ortin-Krause ins Gespräch gekommen war, weil er zum Ende seiner Ausbildung die Chance zur Auslandserfahrung nutzen wollte. Dabei schwebten ihm vor allem Schweden oder Norwegen vor, dass es am Ende coronabedingt Dänemark wurde, war für den Azubi jedoch absolut in Ordnung. „Ich war ja froh, dass ich das Ganze überhaupt machen konnte“, betont er, und fügt hinzu, dass die Corona-Situation in Dänemark im September 2020 gut unter Kontrolle war.
Die HWK Lübeck hatte zu dieser Zeit einige Teilnehmer*innen, die darauf warteten, dass es endlich wieder losging. Doch obwohl Erasmus+-Aufenthalte nun vereinzelt wieder möglich waren, war 2020 in Sachen Auslandspraktika ein schwieriges Jahr, konnte die HWK Lübeck doch insgesamt nur knapp 20 Prozent ihrer Projekte realisieren. Hinzu kam, dass beim Ausbruch der Corona-Pandemie im März des Jahres noch Teilnehmer*innen im Ausland waren und schnellstmöglich zurückgeholt werden mussten. Zum Beispiel aus Italien, wo die Situation besonders dramatisch war und die Grenzen geschlossen werden sollten.
Die Rückholaktionen waren unsere erste große Herausforderung, danach kam der Lockdown“, erinnert sich Ortin-Krause. Und sie ergänzt: „Ehrlich gesagt wussten wir zu Beginn gar nicht, wie es weitergehen sollte. Es gab zwar verschiedene Szenarien, real wurde das aber erst, als die Grenzen in Europa wieder geöffnet wurden.“ Jetzt kam auch Aaron Freund wieder ins Spiel, der sich schnell für die neue Idee Dänemark begeistern konnte. Da auch sein Ausbildungsbetrieb das Vorhaben unterstützte, ging es Anfang September los. Zuvor war Ortin-Krause selbst zum dortigen Partnerbetrieb gefahren, um Details des Aufenthalts unter Corona-Bedingungen abzuklären.
Das hat alles wunderbar funktioniert, weil wir dort einen sehr zuverlässigen Partner haben, mit dem ich perfekt planen konnte“, schwärmt sie. Sowohl den Austausch mit den Partnern als auch den mit den Azubis erlebte sie wesentlich intensiver als in „normalen Zeiten“. Dabei standen die Gesundheit und Sicherheit der Teilnehmenden stets im Vordergrund. „Das Wichtigste war, keine unkalkulierbaren Risiken einzugehen und immer wieder neu zu entscheiden, was wir machen können und was nicht“, unterstreicht die Projektkoordinatorin.
Das kann Aaron Freund nur bestätigen. Er hat kleine Dinge zu schätzen gelernt, und sei es auch nur, sein Auslandspraktikum trotz Corona machen zu können. Denn die Zeit, die er in Dänemark verbrachte, war trotz der Pandemie eine gute Zeit. „Das klingt jetzt vielleicht komisch“, sagt er, „aber ein wenig hat es sich manchmal wie ‚Corona-frei’ angefühlt.“ Freund nahm den Umgang mit dem Thema entspannter wahr als er es aus Deutschland kannte. Corona sei zwar auch in Dänemark präsent gewesen – so wurden an der Fähre stichprobenartig Tests gemacht, überall standen Behälter mit Desinfektionsmittel –, während der Arbeit und seiner Zeit im eher ländlich geprägten Lolland aber habe er das Wort relativ selten gehört. Zudem habe es weder in Läden noch bei Freizeitaktivitäten eine Maskenpflicht gegeben.
Da der dänische Partnerbetrieb nicht weit von seiner Heimatstadt Lübeck entfernt lag, entschied er sich, mit dem Auto fahren, auch um unabhängig zu sein und auf besondere Situationen reagieren zu können. Freund wörtlich: „Ich wollte schon auf Nummer Sicher gehen und nichts riskieren. Ich kannte eine solche Situation ja gar nicht: in einer fremden Umgebung auf sich allein gestellt zu sein, und das auch noch in Zeiten von Corona. Das war einerseits eine Herausforderung, andererseits hat es mich auch gereizt.“
Er suchte sich eine Ferienwohnung und pendelte von dort gemeinsam mit seinen dänischen Kollegen zu den Baustellen, auf denen er arbeitete. An den Wochenenden und nach Feierabend unternahm er Ausflüge, um auch Land und Leute besser kennenzulernen. Beeindruckt hat ihn vor allem das „Hygge“-Gefühl, mit dem er die ruhige und entspannte dänische Mentalität umschreibt. Er wisse nun, warum die skandinavischen Länder in Rankings zum Thema Glück oftmals weit vorne zu finden sind. Diese Art der Gelassenheit sei auch im Umgang mit Corona spürbar gewesen, zumindest in der Zeit, die Aaron Freund in Lolland verbracht hat.
Blickt er auf diese zurück, so glaubt er, dass er als Persönlichkeit viel Neues hinzugelernt hat. Und das nicht trotz, sondern gerade wegen der Corona-Situation, die ihn immer wieder dazu gebracht hat, sich selbst und bestimmte Situationen zu hinterfragen.
Ein Höhepunkt war sein letzter Arbeitstag im dänischen Partnerbetrieb, an dem der Chef sich persönlich von ihm verabschiedet habe. „Er und alle Kollegen, mit denen ich unterwegs war, haben gesagt, dass ich einen guten Job gemacht habe und gerne nach der Ausbildung wiederkommen könnte. Allein das hat mir bestätigt, dass es eine gute Entscheidung war, den Schritt ins Ausland zu gehen.“
Alle Bilder © Aaron Freund