CHARTER - Fortbildung für die Zukunft des Kulturgüterschutzes - Sector Skills Alliance

Werden wir in der Zukunft die erforderlichen Kompetenzen haben, um unsere Schlösser, historischen Gärten, archäologischen Funde oder unser Kunsthandwerk zu schützen und zu erhalten? Wie müssen diese aussehen und welche Bildungsvoraussetzungen müssen wir dafür schaffen? Darum geht es in der „CHARTER Skills Alliance", dem derzeit größten Bildungsprojekt der EU-Kommission im Kulturgüterschutz.

Die große Anteilnahme der Menschen am Brand von Notre Dame in Paris 2019 oder der Kopenhagener Börse 2024, die Trauer über kriegs- und terrorbedingte Zerstörungen von unwiederbringlichen Kulturschätzen in der Ukraine, im Nahen Osten oder in Afghanistan zeigen, dass Kulturerbe weit mehr als ein Gebäude oder ein Artefakt ist – es sind wichtige Identifikationspunkte einer Kultur, einer Gesellschaft oder eines Ortes. Krisen wie der Klimawandel, Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürme und Flächenbrände – sie haben direkte Auswirkungen auf das Kulturerbe, aber auch ohne diese ist der Erhalt eine Mammutaufgabe für alle europäischen Mitgliedsstaaten. Hinzu kommt der schleichende Verlust historischer Handwerkstechniken und -berufe, ohne die viele Erhaltungsmaßnahmen nicht möglich sind.

Wie also sollen die künftigen Kulturgutschützer/-innen aus-, fort- und weitergebildet werden, um all den komplexen Anforderungen zu genügen? Mit dem Kulturgüterschutz sind viele verschiedene Ausbildungsberufe befasst, die zusammenwirken müssen:

Kunsthistoriker/-innen, Restauratoren/-innen, Handwerker/-innen, Architekten/-innen, Bauhistoriker/-innen, Archäologen/-innen, um nur einige zu nennen. Hinzu kommt eine Vielzahl von Freiwilligen, die sich im Kulturerbe-Erhalt engagieren, und die ebenfalls Qualifizierungen benötigen im sensiblen Umgang mit ihren Aufgaben.

Restaurierung

CHARTER - eine "Sector Skills Alliance"

CHARTER Skills Alliance ist eine von 14 Allianzen für branchenspezifische Fertigkeiten aus dem ERASMUS+-Programm des Aufrufs 2020, in dem die sektorbezogenen Bildungsbedarfe der Zukunft erfasst werden. Sie ist damit ein Instrument der EU-Kommission für eine dauerhaft angelegte, umfassende, sektorale Qualifikationsstrategie, um zu gewährleisten, dass Europa in der Zukunft über die notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten im Kulturgüterschutz verfügt.

Das interdisziplinär angelegte Projekt beruht auf der Expertise von 28 europäischen Einrichtungen (zuzüglich Assoziierten Partnern) aus 14 europäischen Ländern unter Koordination der Universität von Barcelona, die gleichermaßen Forschung und Anwendung mit ihren Kompetenzen abdecken. Es sind führende Einrichtungen aus universitärer Ausbildung, beruflicher Bildung, Arbeitgeberschaft und Politik mit starken Bezügen zum europäischen Kulturerbe-Sektor. Damit können die Bedarfe kleiner, ländlicher Museen ebenso wie solche internationaler Netzwerke erfasst und bewertet werden und in ein Szenario künftiger Qualifikationen einfließen.

Weitere Informationen zu  den Sector Skills Alliances

Ziel: Politikempfehlungen für künftige Bildungsbereiche im Kulturgüterschutz

Acht Bereiche, die die künftigen (Berufs-)Bildungswege kennzeichnen

Das CHARTER-Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren und startete am 01.01.2021. Strategische Daten zu Kernbereichen der Ausbildung und transversalen Kompetenzen einschließlich digitaler, technologischer und grüner Bildungsinhalte wurden gesammelt.

Bestehende Programme wurden ausgewertet, Lücken in der formalen Ausbildung (unter Verwendung des EQF- und EQAVET-Rahmens) identifiziert und nicht-formales und informelles Lernen sowie berufliche Mobilität berücksichtigt. Dazu wurden 18 regionale Pilotprojekte und Konferenzen durchgeführt, um Ansätze zu validieren.

Die CHARTER-Partnerschaft analysierte sektorale Dynamiken und bildete unterschiedliche Interessengruppen ab. Es wurden Aufgabenbeschreibungen für berufliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen formuliert.

Insgesamt liegen bereits rund 20 Dokumente vor oder sind in der Finalisierung begriffen, die relevante Daten des Kulturerbe-Sektors wie des Arbeitsmarkts erfasst haben, Lernwege zu unterschiedlichen Qualifikationen beschreiben, Kompetenzen identifizieren, innovative Curricula vorstellen, Qualitätsstandards und Bildungszertifikate überprüfen. Hinzu kommt die Darstellung von bereits absehbaren Qualifikationsbedarfen in acht Bereichen aufgrund bestehender Lücken in Ausbildungswegen. Ziel ist, diese Bedarfe so aufzubereiten, dass sie als Politikempfehlungen kurz- und mittelfristig in die Umsetzung gehen können.

CHARTER baut gleichzeitig ein dauerhaftes Bündnis für Kompetenzen im Bereich des Kulturgüterschutzes in Europa auf, indem Methoden und Ergebnisse erfasst und angeglichen werden und dabei gleichzeitig die Wirksamkeit auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene gestärkt wird. Ziel ist, Europas Mitgliedsstaaten in die Lage zu versetzen, das materielle und immaterielle Kulturerbe zu fördern, aufzuwerten und nachhaltig zu schützen.

Bisher erarbeitete Bildungsmaterialien

CHARTER als Beispiel für aufbauende Bildungskooperation

CHARTER basiert auf den Ergebnissen der ERASMUS+ Strategischen Partnerschaft „HERITAGE-PRO - Interdisziplinäre Fortbildung für Fachkräfte verschiedener Disziplinen zur nachhaltigen Bewirtschaftung und Erhaltung des Kulturerbes" (2018-2021). Diese entwickelte ein interdisziplinäres Fortbildungsprogramm für Fachleute verschiedener Disziplinen zur nachhaltigen Bewirtschaftung und Erhaltung des kulturellen Erbes.

HERITAGE-PRO ist ein eigenständiges Programm zur Weiterqualifizierung im kulturellen Erbe, das sich in erster Linie an junge Kulturerbe-Manager/-innen und junge Handwerksmeister/-innen richtet, die am Anfang ihrer Karriere stehen und sich berufsbegleitend weiteres Wissen aneignen möchten. Für CHARTER bildet diese Fortbildung mit ihrem interdisziplinären Ansatz einen besonders wichtigen Bedarf ab, denn Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Kulturgüterschutz basieren gleichermaßen auf berufsbezogener interdisziplinärer Zusammenarbeit und auf beruflichen Erfahrungen, also nicht nur auf Wissen aus der formalen Bildung.

Erasmus+ Strategische Partnerschaft "HERITAGE-PRO"

Zwei der beteiligten Institutionen von HERITAGE-PRO sind auch Partner im CHARTER-Projekt, nämlich Kultur und Arbeit e.V. (der deutsche HERITAGE-PRO-Koordinator) und ENCATC, das europäische Netzwerk für Kulturmanagement und -politik mit Sitz in Brüssel (Belgien). Darüber hinaus engagieren sich weitere Personen von HERITAGE-PRO-Partnern als Mitglieder des CHARTER-Beirats, um sicherzustellen, dass die HERITAGE-PRO-Erfahrungen einfließen können.

Weitere Informationen zu HERITAGE-PRO

CHARTER Allianz und europäische Beobachtungsstelle

Die Erfassung von Bildungsbedarfen ist eine Sache, diese aber kontinuierlich zu überprüfen und „marktfähig“ zu halten, ist Teil des Nachhaltigkeitskonzepts von CHARTER. Dazu wird es Ende 2024 die formale Gründung einer europäischen Bildungsallianz für den Sektor geben, verbunden mit einer europäischen Beobachtungsstelle. Ziel ist, mit solchen Instrumenten schneller auf Bildungsbedarfe reagieren zu können, entsprechende Daten europaweit zugänglich zu machen und damit der Politik bessere Handlungsempfehlungen geben zu können.

Weitere Informationen zu CHARTER

Dr. Karin Drda-Kühn

 

Bilder im Text: 

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  • Bild zum Thema Restaurierung: © PixabayCC | taniadimas
  • Grafik CHARTER Bildungsbereiche: © CHARTER