AWARE - Psychische Gesundheit im Strafvollzug - Good Practice

Das Thema mentale Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Eine Thematik, die bisher oftmals tabuisiert worden ist, wird nun durch Aufklärung und durch Berichte betroffener Personen immer mehr gesellschaftlich diskutiert. Das AWARE-Projekt nahm die mentale Gesundheit von (ehemaligen) inhaftierten Personen in den Blick und klärt über diese Problematik auf. 

Die Zeit im Gefängnis ist hart und geht oftmals nicht spurlos an den Inhaftierten vorbei. Viele Personen kämpfen während und nach ihrer Zeit im Gefängnis mit mentalen Problemen. Nicht selten sind inhaftierte Personen bereits vor ihrem Gefängnisaufenthalt von psychischen Problemen betroffen. Bei der Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft sind sie oftmals einer doppelten Stigmatisierung ausgesetzt: sowohl der Tatsache der Vorstrafe und kriminellen Vergangenheit, als auch der gesellschaftlichen Verurteilung und Unsichtbarkeit als Person mit mentalen Problemen. Die Gefahr ist daher groß, dass ehemalige Gefangene durch unbehandelte emotionale und psychische Probleme anfälliger sind, erneut straffällig zu werden. 


Mit dem AWARE-Projekt hatten es sich die sieben Projekteinrichtungen aus dem staatlichen, gemeinnützigen, akademischen und beratenden Bereich zur Aufgabe gemacht, der Problematik in Bezug auf die mentale Gesundheit (ehemaliger) Gefangener eine Plattform und einen Aufklärungsraum zu geben, um so die Rückfallquote von ehemaligen Inhaftierten zu reduzieren. 

Partizipation auf Augenhöhe

Mit Expertinnen und Experten für psychische Gesundheit und Fachleuten der Erwachsenenbildung wurde herausgefunden, dass Personen, die mit (ehemaligen) Strafgefangenen arbeiten, kaum bis gar kein Training hinsichtlich des Umganges mit Personen mit mentalen Problemen aufweisen können und dass das Thema in den Vollzugsanstalten kaum thematisiert wird. 

Durch gezielte Trainingsmethoden und -tools wurden Fragestellungen rund um das Thema psychische Probleme im Strafvollzug für Personen, die in der Strafjustiz und in der Bewährungshilfe tätig sind, erarbeitet. Durch den Austausch der Expertisen von Strafjustiz und zivilgesellschaftlichen Organisationen sollte die Kluft zwischen Zivilgesellschaft und Personen mit psychischen Problemen verringert werden. Angehörige und Gemeinden wurden sensibilisiert und darüber informiert, welchen Einfluss der Gefängnisaufenthalt auf die Psyche der Inhaftierten hat. Somit soll für (ehemalige) Inhaftierte die bestmögliche Unterstützung geleistet werden, ein Verständnis für die Situation aufgebaut, gesellschaftliche Inklusion gefördert und die Chancen für ein selbstbestimmtes, sicheres Leben nach dem Gefängnisaufenthalt gewährleistet werden. Auf internationaler Ebene strebt man an, (ehemaligen) Inhaftierten eine Stimme zu geben und so die beschriebene Problematik auf die europäische Agenda zu setzen. 

Bildungsmaterialien für die Arbeit mit (ehemaligen) Inhaftierten

Das Konsortium aus Deutschland, Portugal, Bulgarien, Griechenland, Rumänien und den Niederlanden erarbeitete eine große Bandbreite an Inhalten für alle, die im Justizvollzug arbeiten und auf irgendeiner Ebene mit Gefangenen mit psychischen Beeinträchtigungen in Kontakt kommen könnten als auch für nicht spezialisierte Mitarbeitende und Angehörige. Zu den erstellten Materialien zählen:

  • ein Bericht über die Bedürfnisse von verschiedenen Stakeholdern, die sich mit psychischer Gesundheit im Strafjustizsystem befassen, sowie übertragbare Ausbildungsangebote und bewährte Verfahren;
  • ein Erhebungsinstrument zur Bewertung der gängigen Maßnahmen im Bereich der psychischen Gesundheit von (ehemaligen) Inhaftierten und zur Bewertung ihrer Erfahrungen und Bedürfnisse, wie sie sie wahrnehmen;
  • ein Handbuch zum AWARE-Trainingsprogramm;
  • eine Online-Lernplattform mit E-Learning-Modulen, Fachliteratur und einem umfangreichen Glossar sowie eine Community of Practice.

Der transnationale und sektorübergreifende Ansatz der Projektarbeit machte es möglich, aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Thematik zu schauen und sorgte für neue, inklusive Lösungsansätze.