TEACH - Vom Umgang mit Verschwörungstheorien - Good Practice

Die Diskussion um Verschwörungstheorien hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Damit gemeint ist der Versuch, die Ursachen bedeutender sozialer und politischer Ereignisse mit angeblich geheimen Komplotten mächtiger Akteurinnen und Akteure zu erklären. Besondere Relevanz im öffentlichen Diskurs und für wissenschaftliche Forschungs- und Transferprojekte gewann das Thema im Kontext der COVID-19-Pandemie.

„Das ist wenig verwunderlich, denn mit den deutschlandweiten Protesten gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona rückten Verschwörungstheorien zusehends in den Fokus der Öffentlichkeit“, sagt Bastian Vajen vom Institut für Didaktik der Demokratie (IDD) der Leibniz Universität Hannover. Das Institut hat gemeinsam mit Einrichtungen aus Deutschland, Schweden, Bulgarien und Österreich von September 2019 bis Februar 2022 die Strategische Partnerschaft TEACH realisiert. Die Abkürzung steht für Targeting Extremism and Conspiracy Theories. Ziel des Projekts war es, den Bedarf von Erwachsenenbildungseinrichtungen im Umgang mit Verschwörungstheorien zu identifizieren und Instrumente für ein kontinuierliches Monitoring zu entwickeln.

Die Angst und die Unsicherheit, die mit gesellschaftlichen Krisensituationen wie der COVID-19-Pandemie einhergingen, böten einen ausgezeichneten Nährboden für Verschwörungstheorien, ergänzt Elizaveta Firsova-Eckert, die wie Vajen am IDD arbeitet. Dabei nähmen diese durch ihre einfachen Erklärungsmuster und eindeutigen Schuldzuschreibungen vielen Menschen das Gefühl der Unsicherheit und verliehen ihnen – zumindest kurzfristig – ein Empfinden von Handlungsmacht. 

Eine Herausforderung für die Demokratie

Vajen und Firsova-Eckert betonen unisono, dass Verschwörungstheorien gleich auf zwei Ebenen eine Herausforderung für die Demokratie seien. Einerseits werde durch die so geschaffenen alternativen Realitäten der Austausch über gesellschaftliche Probleme und Handlungsmöglichkeiten erschwert. Zum anderen bestehe durch die Verbindung von Verschwörungstheorien mit antifeministischen, antisemitischen oder rassistischen Motiven eine Gefahr für die pluralistische demokratische Gesellschaft. Entsprechend müsse es Teil (politischer) Bildungsprozesse sein, mit Verschwörungstheorien und den damit verbundenen extremistischen Überzeugungen zu arbeiten. Dabei gehe es darum, den Akteurinnen und Akteuren der Erwachsenenbildung Strategien und Materialien für den Umgang mit dem Thema an die Hand zu geben. Aufgrund des teils missionarischen Charakters von Personen, die an Verschwörungstheorien glauben, erscheine es jedoch schwierig, derartige Bildungsprozesse zu initiieren. Die Logik der verschwörungstheoretischen Vorstellungen sei oftmals verzweigt und für Außenstehende nicht ohne weiteres zu durchdringen. Das erschwere es, zum Kern der Thematik vorzustoßen und die vorgebrachten Thesen zu entkräften. Zugleich fänden erwachsenenbildnerische Lehrangebote für gewöhnlich nicht in Form des Einzelunterrichts, sondern mit größeren Lerngruppen statt. Dabei müssten unterschiedliche gruppendynamische Prozesse ebenso abgewogen werden wie die mit der Veranstaltung verbundenen Lernziele.
 

Aufbauend auf diese Grundgedanken wurden im Projekt TEACH geeignete Instrumente und Materialien erarbeitet. Sie erlauben es den Erwachsenenbildungseinrichtungen, eigenständig die Bedarfe ihrer Mitarbeiter/-innen zu erheben und individuell passende Fortbildungen zu ermöglichen. Dazu wurde im ersten Teil des Projekts ein kontinuierliches Monitoring vorgenommen. Der Output umfasste einen validierten Fragebogen, anhand dessen die Leiter/-innen der Einrichtungen die Häufigkeit des Vorkommens verschwörungstheoretischer Aussagen in ihren Kursen erfassen können. Zusätzlich wurde ein Handbuch bereitgestellt, das den Einsatz des Fragebogens sowie die Analyse und Interpretation der Ergebnisse erläutert. Auf diese Art und Weise soll den Bildungseinrichtungen ein eigenständiger Einsatz der Materialien ermöglicht werden.

Im zweiten Teil wurde der Fragebogen in den beteiligten Ländern möglichst breit in Einrichtungen der Erwachsenenbildung gestreut. Die Resultate wurden – gemeinsam mit den denen der Pilotierung – dazu verwendet, Themengebiete und Unterstützungsbedarfe für Erwachsenenbildner/-innen zu identifizieren. Darauf aufbauend wurden didaktische Materialien und Fortbildungskonzepte entworfen. Das so entstandene Handbuch beinhaltet Informationen zur Wirkweise von Verschwörungstheorien und zum Einfluss sozialer Medien auf deren Verbreitung. Hinzu kommt eine Übersicht über relevante Narrative im Bereich von Antisemitismus, Antifeminismus, Rassismus und Wissenschaftsleugnung. Zu all diesen Themen wurden Module mit Übungen sowie eine didaktische Handreichung mit Anwendungsbeispielen entwickelt. Sie dienen als Informationsquelle, Grundlage für Weiterbildungsangebote sowie in Teilen auch als Aufhänger für eigene Bildungsprozesse.

Aus der positiven Rückmeldung unterschiedlicher Zielgruppen während und nach den Verbreitungsaktivitäten ergab sich die Idee, das Konzept von TEACH im Rahmen eines Folgeprojekts für Schulen zu adaptieren und zu erweitern. Das neue Projekt trägt den Namen Recognising Extremism and Conspiracy Theories (REACT). Es startete im Juni 2022 mit dem Ziel, Schulen und Lehrenden konkrete Werkzeuge an die Hand zu geben, um Verschwörungstheorien und extremistischen Überzeugungen wirksam vorzubeugen und ihnen entgegenzuwirken.  
 

Dieser Bericht über das Projekt wurde in der Broschüre „Skills for life – Wissen erweitern, Potentiale entfalten“ der Nationalen Koordinierungsstelle Europäische Agenda für Erwachsenenbildung veröffentlicht. Die Koordinierungsstelle ist angesiedelt bei der NA beim BIBB.

Weitere Informationen

Zur Projektwebseite mit Handbuch, Übungen und Präsentation in den Sprachen der Projektbeteiligten

Das Projekt auf der Erasmus+ Project Result Platform