Frederik Hamm
Ein Zahntechniker in Innsbruck - Auszubildender im ersten Jahr lernt Österreich kennen
Frederik war noch im ersten Lehrjahr seiner Zahntechniker-Ausbildung, als seine Berufsschule ihm die Möglichkeit bot, ein Praktikum im europäischen Ausland zu absolvieren. So führte ihn sein Weg aus dem Dentallabor seines Vaters hinaus ins wunderschöne Innsbruck.
Das europäische Bildungsprogramm Erasmus+ macht Lernaufenthalte wie diesen für Auszubildende möglich. Das Programm unterstützt junge Menschen während und kurz nach ihrer beruflichen Aus- und Weiterbildung und fördert einen Auslandsaufenthalt von bis zu einem Jahr. Als Zielländer kommen sowohl die EU-Mitgliedsstaaten, als auch Island, Liechtenstein, Norwegen, Nordmazedonien, Serbien oder die Türkei in Frage. Für Frederik ging es für vier Wochen ins unmittelbare Nachbarland.
„Meine Entscheidung fiel auf Österreich, da ich auf Sprachbarrieren verzichten wollte und mein Vater kurz vorher zufällig einen dort lebenden Zahntechnikmeister auf einer Fortbildung kennengelernt hat. Dieser hat sich sofort bereit erklärt, mich aufzunehmen und mir einiges beizubringen.“
Mit Erasmus+ seinen Ausbildungsberuf neu entdecken
Erasmus+ fördert verschiedene Aktivitäten: Auszubildende können beispielsweise ein Praktikum bei einem Partner ihres Ausbildungsbetriebes, einen berufsspezifischen Fremdsprachenkurs oder auch einen Lernaufenthalt in einem Unternehmen mit einer anderen fachlichen Ausrichtung als der heimatliche Betrieb absolvieren. Wichtig ist nur, dass die Teilnehmenden einen beruflichen Mehrwert aus dem Auslandspraktikum ziehen.
So wie Frederik es gemacht hat: „Prinzipiell war alles anders als ich es aus dem väterlichen Labor kannte. Als ‚Einzelkämpfer’ mit Spezialisierung auf Frontzahnrestaurationen war das Labor von Herrn Shabab Esfarjani wesentlich kleiner, es wurden andere Geräte und Materialien verwendet und der Workflow war komplett anders. Außerdem war ich aus dem Betrieb meines Vaters, der mittlerweile über 35 Mitarbeiter beschäftigt, das abteilungsinterne Arbeiten gewohnt. In Österreich gab es logischerweise keine Abteilungen, so dass ich Patientenarbeiten von Anfang bis Ende miterleben durfte.
Oft kann solch ein Perspektivwechsel auch dazu führen, dass Auszubildende Einblicke erhalten, die im heimatlichen Ausbildungsbetrieb so nicht möglich gewesen wären. Vor Ort gibt es andere Arbeitsmaterialien oder Werkzeuge, andere Abläufe oder auch andere Techniken, die das fachliche Wissen enorm erweitern können.
Auch Frederik hat neue Erfahrungen gesammelt und Fachkenntnisse erworben, die er heute nicht mehr missen möchte.
„Rein beruflich wurde ich in die professionelle Dentalfotografie eingeführt und habe sofort gemerkt, welche Möglichkeiten exzellente Mundaufnahmen für die spätere Frontzahnrestauration bieten. Auch Oberflächengestaltung, Form- und Farbgebung und Funktionalität von Front- sowie Seitenzahnkronen waren für mich damals noch "Neuland". Privat würde ich sagen, dass das direkte Zugehen auf fremde Leute auch ungewohnt für mich war. Aber ich wollte gerne mit den ‚Locals der Stadt’ meine Freizeit verbringen, so blieb mir nichts Anderes übrig.“
Ein großer Mehrwert für alle Beteiligten
Das Auslandspraktikum war für Frederik also eine ideale Ergänzung seiner Ausbildungsinhalte. Aber nicht nur Teilnehmende des Erasmus+-Programms profitieren von ihren Auslandsaufenthalten, auch für den Ausbildungsbetrieb entstehen Vorteile: Das Angebot von Auslandpraktika erhöht die Attraktivität als Arbeitgeber und kann ein Alleinstellungsmerkmal in der Region darstellen. Laut einer breit angelegten Umfrage erkennen 66 Prozent der befragten Einrichtungen einen deutlichen Image-Gewinn durch das Angebot von Erasmus+-Aufenthalte in ihrem Haus. Zudem drückt der ausbildende Betrieb durch das Zusatzangebot seine Wertschätzung gegenüber seinen Auszubildenden aus und schafft damit ein ergänzendes Instrument der Mitarbeiterbindung. Denn oft kommen die Auszubildenden hochmotiviert und voller Ideen zurück in den heimatlichen Betrieb und entscheiden sich nach der Ausbildung für eine Festanstellung.
Einen Antrag auf Förderung kann bei Erasmus+ entweder der Ausbildungsbetrieb selbst oder die zuständige die Berufsschule stellen. Für den unkomplizierten Einstieg bieten sich die sogenannten Kurzzeitprojekte an. Seitdem es das Programm Erasmus+ in der Berufsbildung gibt sind die Teilnehmendenzahlen kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2018 haben etwa 7 % aller Auszubildenden in Deutschland die Chance genutzt, einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Rate in den Jahren 2020 und 2021 stark gesunken und viele bereits geplante Aktivitäten mussten abgesagt werden. Seit 2022 verzeichnet die Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung wieder steigende Antragszahlen, das Interesse am Erasmus+-Programm bleibt groß.
Frederik würde den Aufenthalt mit Erasmus+ auf jeden Fall empfehlen, denn der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen im Ausland ist zutiefst bereichernd. „Ich würde jedem mit ernsthaftem Interesse an Weiterbildung in der Zahntechnik und dem Kennenlernen anderer Kulturen zu einem Auslandspraktikum raten! Ich habe mich beruflich sowie persönlich weiterentwickelt und Erfahrungen gesammelt, die es ohne das Auslandspraktikum vermutlich nicht gegeben hätte.“
Text von Anna Corzillius | März 2022