Pressekonferenz wie bei den Staatsrepräsentanten
© EuroApprentices privat
06.06.2024
Interview von Verena Lehnen
Finn Marvin Holtmann hatte die Möglichkeit, gemeinsam mit einer deutschen Delegation von Studierenden und Auszubildenden an der EU-Ratssimulation „A Council Simulation Experience (ConSIMium)“ in Brüssel teilzunehmen. Der ausgebildete Biologisch-Technische-Assistent ist als EuroApprentice aktiv. In unserem Interview berichtet der Erasmus+-Botschafter von seiner Erfahrung und was er in den beiden Tagen in Brüssel über die Europäische Union und ihre Entscheidungsmechanismen gelernt hat.
Die Ratssimulation ist die Möglichkeit, zu erfahren, wie es im Europäischen Rat von statten geht, also wie unter Kompromissfindung zwischen den Staaten Gesetze entstehen. Nur abgekapselt von der Öffentlichkeit und für uns junge Menschen angepasst. Ziel der Veranstaltung war es, uns zu zeigen wie das Ganze abläuft, was vielleicht vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht klar ist, sodass wir die Entscheidungsfindungsprozesse hinter den Kulissen so realitätsnah wie möglich erleben durften. Dabei waren wir in den echten Räumlichkeiten des Europäischen Rates mit allem, was dazu gehört: Es gab Pressekonferenzen, und wir durften in den Räumen sein, wo sonst Ministerinnen und Minister und Botschafterinnen und Botschafter sitzen, wie man es manchmal im Fernsehen sehen kann.
Wir als EuroApprentices wurden über die Veranstaltung und die Möglichkeit informiert, über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) teilzunehmen. Da ich beim Europäischen Jugendevent in Straßburg (EYE) bereits die Möglichkeit hatte, das Europäische Parlament zu besuchen, dachte ich, wäre es auch nochmal interessant, die Institution des Europäischen Rates kennenzulernen. Dann habe ich mich beim DAAD beworben und das Glück gehabt, auch mitfahren zu dürfen. Ich finde es spannend zu erfahren, wie die doch recht komplexen Prozesse in der EU ablaufen und es interessiert mich, diese dann auch anderen näher zu bringen.
Es ist wirklich sehr komplex. Das meiste bespricht man zunächst in seiner eigenen Delegation. Also worauf man achten muss in den Sitzungen, um die Position der Delegation einheitlich zu vertreten. Und dann ist man in seinem Bereich und seiner Rolle unterwegs. Ich war zum Beispiel nationaler Experte für Cybersicherheit und habe mich dann mit den nationalen Experten der anderen 27 Länder besprochen. Bei 27 Ländern geht jeder Gesetzesentwurf durch mehrere Sitzungen und bei jeder können wieder neue Punkte angebracht werden. Aber es ist schön zu sehen, wie man zusammen agieren kann und, dass das System niemanden benachteiligt, egal wie groß oder klein das Land ist. Ich finde es gut, dass jede Nation in derEUMitsprache hat.
Ja, es ist sehr herausfordernd, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Man hat im Vorgang der Sitzungen schon die Möglichkeit sich mit den anderen Ländern auszutauschen. Also, dass man zum Beispiel schonmal mit dem nationalen Experten der Niederlande spricht, sodass es dann in der Sitzung leichter ist, zusammen zu finden. Man muss also ganz genau schauen, wo findet sich die größte Gruppe und passt man dazu?
Dies war das erste ConSIMium, zudem neben Studierenden auch Auszubildende eingeladen waren, daher waren die Auszubildenden im Verhältnis eher unterrepräsentiert. Ich finde es aber wichtig, dass auch die Menschen aus der Berufsbildung die Chance bekommen, eine solche Erfahrung zu machen. Die Mischung aus Theorie und Praxis stellt für mich einfach das Gesamtbild dar, daher ist es wünschenswert, dass in Zukunft mehr Auszubildende am ConSIMium teilnehmen.
Europa als solches ist sehr verschieden und sehr bunt gemischt, aber es ist schön zu sehen, wie gut es funktioniert – wenn man möchte. Und es muss auch funktionieren, denn jeder für sich ist eines, aber gemeinsam Lösungen zu finden und als Gesamtheit aufzutreten, ist viel wert und hat mehr Gewicht – nicht nur in Europa, sondern auch international. Und besonders jetzt ist es wichtiger denn je, dass man auf gesellschaftliche Anliegen gemeinschaftlich reagiert.
Ich habe gemerkt, dass es immer noch viel internationaler Arbeit bedarf, denn jedes Land tickt anders. Es gibt so viele Verschiedenheiten in Europa, dass es für mich als EuroApprentice umso wichtiger erscheint, zusammenzuarbeiten und von anderen Ländern zu lernen. Und auch Verständnis zu entwickeln für die Denkweise in anderen Ländern. In dem Kontext ist meine Arbeit sehr sinnvoll, um mehr Kontakte und Austausch international zu ermöglichen.
Wie gut die Bahn in Brüssel funktioniert! (lacht) Vor Ort sein zu dürfen und Einblick zu bekommen in etwas, wo man sonst keinen Zugang hat, und eben der Austausch mit anderen Menschen aus verschiedensten Ländern. Durch unsere Betreuerin hatten wir außerdem die Möglichkeit eine persönliche Führung durch Brüssel zu bekommen, durch die Stadt und ihre EU-Institutionen.
Die EuroApprentices sind ein Netzwerk an Erasmus+-Botschafterinnen und Botschaftern in der Berufsbildung. Während ihrer Ausbildung haben sie mit Erasmus+ einen Auslandsaufenthalt absolviert.Die Erlebnisse und Erfahrungen, die sie im Ausland gesammelt haben, teilen sie mit anderen Auszubildenden und begeistern so für das Thema. Die EuroApprentices können für Vorträge, Workshops und Veranstaltungen angefragt werden. Hier geht es zu den Profilen. Gerne können Sie sich auch für Fragen an das Team der NA beim BIBB unter euroapprentices[at]bibb(dot)de wenden.
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