Wenn Grammatik auf Mülltrennung trifft - Das Erasmus+ Projekt „IN-Life“ verbindet Sprachenlernen und Integration mit der Frage eines nachhaltigen Lebensstils

IN-Life steht für „Integration Through Sustainable Lifestyle“. Die Strategische Partnerschaft im Programm Erasmus+ widmete sich dem Ziel, Zugewanderten eine nachhaltige und umweltfreundliche Lebensweise näher zu bringen, um deren Integration zu erleichtern. Dazu wurden bereits bestehende Integrations- und Sprachkurse entsprechend erweitert. Gemeinsam entwickelten Akteurinnen und Akteure aus Deutschland, Italien, Frankreich und Schottland Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte sowie eine Onlineplattform, die direkt von den Lernenden genutzt werden kann. Mit von der Partie waren die Volkshochschulen (VHS) der Landkreise Amberg-Sulzbach und Cham. 

„Die Ideen aus IN-Life werden bei uns heute aktiv gelebt und eingesetzt“, betont Julia Wolfsteiner, seit Anfang 2019 Leiterin der Volkshochschule (VHS) Amberg-Sulzbach. Für die studierte Pädagogin ist es reizvoll, den innovativen Weg ihres Vorgängers Manfred Lehner weiterzugehen und die neuen Angebote in der Praxis zu realisieren. Der Status als kommunaler Bildungsträger ermögliche es, als eine Art „Innovationslabor“ zu agieren und Themen aufzugreifen, die weit über das klassische VHS-Programm hinausgehen. Zum Tragen kommt dies insbesondere bei flexiblen Kursformaten, in deren Gestaltung es gewisse Freiräume gebe.

Positive Resonanz auf die Kursangebote

IN-Life ist diesbezüglich ein gutes Beispiel, zumal das Erasmus+-Projekt gesellschaftlich hochaktuell ist und es die Kombination aus Sprachunterricht und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in dieser Form bislang nicht gab. „Die Resonanz auf die Kursangebote ist äußerst positiv“, unterstreicht Wolfsteiner, die bei den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern eine große Neugierde feststellt. „Die Menschen wollen dieses Land und seine Gesellschaft besser verstehen und nicht nur sprachlich einen Zugang finden“, glaubt sie. Hinzu komme, dass die Diskussionen im Unterricht auch stark in die kulturelle Identität der Menschen und Familien hineinspiele.

Natallia Prystrom, die ursprünglich aus Weißrussland stammt und seit einigen Monaten in Cham wohnt, bestätigt dies. Seit sie an dem Kurs teilgenommen habe, denke sie viel mehr darüber nach, welche Lebensmittel sie kaufen oder welche Verkehrsmittel sie am besten benutzen solle. Auf der Lernplattform interessieren sie vor allem Übungen zu Themen wie Kultur und Werte, gesunder Lebensstil, Mülltrennung oder Umweltschutz. Dabei lobt sie die leicht verständliche Aufbereitung der Materialien, die sich den Lerninhalten oftmals auf spielerische Art und Weise annähern und sich an verschiedenen Lernniveaus orientieren.

Eine von ihnen ist Corinna Groth, die seit 2015 Deutschkurse an der VHS Amberg-Sulzbach gibt. Sie war selbst intensiv an der Entwicklung der Materialien beteiligt und hat für vier der insgesamt sieben Lektionen der VHS Amberg-Sulzbach Texte geschrieben. Im Unterricht hat sie bereits zu verschiedenen Themen mit den neuen Hilfsmitteln gearbeitet. Dabei werde der Begriff der Nachhaltigkeit sehr weit gefasst, stets ausgehend von der Frage, „wie wir in unserer Gesellschaft zusammenleben können, damit es auch in Zukunft einigermaßen funktioniert“.

Begriffe wie Toleranz, Verständnis, Geduld, Rücksichtnahme und Respekt spielen dabei ebenso eine wichtige Rolle wie das Hinterfragen der eigenen Lebenswelt. Genau das möchte Groth im Unterricht vermitteln und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihrer Kurse das Gefühl geben, Teil einer Gesellschaft zu sein, die sie selbst mitgestalten können. In diesem Sinne leiste sie sprachliche wie werteorientierte Arbeit, die den Zugewanderten vor Augen führt, wie die deutsche Gesellschaft funktioniert und sie in ihrem Alltag unterstützt.

Aus Verschiedenheit lernen

Die Qualität der erarbeiteten Materialien basiert in erheblichem Maße auf den vielen guten Ideen aus der Erasmus+-Partnerschaft, die sowohl bei Corinna Groth als auch bei Julia Wolfsteiner bleibenden Eindruck hinterlassen hat. „Das Tolle war, dass wir auf vielen unterschiedlichen Ebenen voneinander gelernt haben“, beschreibt Wolfsteiner, und sie ergänzt: „Das gilt sowohl für den inhaltlichen Austausch und die Erfahrungen der beteiligten Partner als auch für die Themenauswahl und die technische und didaktische Umsetzung der Lerninhalte“.

Da die Länder jeweils andere inhaltliche Schwerpunkte setzen, lernten sich die Akteurinnen und Akteure in ihrer Verschiedenheit kennen und erarbeiteten gemeinsam kreative Ideen. Während die Schotten eher ganzheitlich an das Thema herangegangen seien und ihr Know-how in Sachen digitale Anwendungen einbrachten, orientierten sich die italienischen und französischen Partner stark am Thema Ernährung. Von Beginn an waren auch viele Dozentinnen und Dozenten aktiv in der Erarbeitung der Materialien eingebunden, zudem spielte die Qualifizierung des Lehrpersonals eine wichtige Rolle. Dies soll in Zukunft fortgeführt werden, wobei es zugleich darum gehen soll, die innovative Kombination aus Sprachunterricht und BNE weiter zu verbreiten und zusätzliche Anwender für die im Rahmen des Projektes entwickelten Unterrichtsmaterialien zu gewinnen. 
 
November 2019, Manfred Kasper