Gesundheitsberatung in Europa ist wichtiger denn je - Aus der laufenden Projektarbeit -
Ein Fokus der Arbeit des Gesundheitsamtes Frankfurt liegt darauf, die Lebensbedingungen marginalisierter Menschen durch Beratung zu verbessern. Dazu gehören auch in der Prostitution Tätige aus anderen EU-Staaten, die durch die Freizügigkeitsregelung Zugang zum Arbeitsmarkt in Frankfurt haben. Das Erasmus+-Projekt ENPHI des Gesundheitsamtes Frankfurt widmet sich mit seinen Partnern der Fragestellung, wie diese Menschen erreicht werden können, um ihre wirtschaftliche, soziale und vor allem auch gesundheitliche Situation zu verbessern.
Beim Erstkontakt mit den Sexarbeitenden im Gesundheitsamt ist es wichtig, passgenau Informationen zu Beratungsangeboten der bestehenden Hilfesysteme zu vermitteln. Da es sich bei den Sexarbeitenden um eine oft sehr mobile Gruppe handelt, die häufig aus verschiedenen (ost)europäischen Ländern kommt und in verschiedenen Ländern arbeitet, ist es sinnvoll, sich mit den sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen in anderen EU-Ländern auszukennen.
Vergleich der Systeme und der Lehrangebote
Im Rahmen des Projekts besuchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Frankfurt europäische Partnerländer mit verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen. Bei jeder Reise finden Treffen mit Projektpartnern statt, zum Beispiel mit Akteuren und Akteurinnen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, medizinischer Einrichtungen mit Schwerpunkt HIV/STI und niedrigschwelliger Gesundheitsversorgung, Vertreterinnen und Vertretern von Frauenorganisationen und Beratungsstellen. Dabei erfolgt ein Austausch zum Versorgungsangebot für die Zielgruppe und ein Abgleich der jeweiligen Rahmenbedingungen.
Zudem stärken die teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre interkulturelle Kompetenz und lernen vor Ort die jeweiligen Gesundheitssysteme und landesspezifischen Beratungssysteme kennen. Dadurch wird der Blick auf die Lebensbedingungen der Zielgruppe möglich gemacht. Das Wissen um die Gegebenheiten in den Herkunftsländern, aber auch der Austausch mit Ländern, wo vergleichbare Rahmenbedingungen wie in Deutschland vorliegen, trägt dazu bei, die Zielgruppe besser ansprechen und beraten zu können. Somit kann auch deren Bereitschaft, sich auf die Beratungs- und Bildungsangebote einzulassen, erhöht werden.
Austausch mit Österreich
Seit Projektbeginn fanden bereits Reisen nach Wien und Graz in Österreich statt, wo, wie in Deutschland, legal in der Prostitution gearbeitet werden kann. Unter anderem lernten Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes Frankfurt den Gesundheitsdienst der Stadt Wien kennen, wo sich Menschen, die beabsichtigen, in der Prostitution tätig zu sein, anmelden müssen und die verpflichtenden Untersuchungen auf sexuell übertragbare Krankheiten und HIV durchgeführt werden. Außerdem wurden auch Anlaufstellen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung aufgesucht.
In der Marienambulanz lernten die Teilnehmenden den Einsatz des Triaphon-Telefondolmetscherdienstes kennen, den man gerne in den eigenen humanitären Sprechstunden nutzen möchte. Beim Besuch des Vereins Frauenservice Graz lernten die Teilnehmenden die dortigen Beratungsstrukturen und deren Schwerpunkte kennen, wie zum Beispiel Beratung zur Gesundheit allgemein, zu sexuell übertragbaren Krankheiten und Safer Sex, Arbeits- und Berufsfragen sowie Rechtsberatung zu Aufenthalt, Arbeit oder Scheidung und Sozialberatung, die Themen wie Versicherung, Steuern, Schulden und Gewalt abdeckt. Die Beratungen finden in den Räumlichkeiten des Frauenservice Graz, aber auch im Rahmen von Streetwork statt, um die Frauen auch niedrigschwellig erreichen zu können. Sowohl in Graz als auch in Frankfurt wird bei der Beratung großen Wert auf gesundheitliche und psychosoziale Aufklärung gelegt.
Erfolgreiche Mobilitätsmaßnahme für Bildungspersonal
„Neben vielen neuen Eindrücken, beruflichen Kontakten und Anregungen, die noch verarbeitet werden müssen, erscheint „der Einsatz des Triaphon-Telefondolmetscherdienstes, den wir bei der Marienambulanz in Wien kennengelernt haben, sehr wünschenswert, um ihn in unseren Humanitären Sprechstunden einzusetzen“, resümiert Projektkoordinatorin Alexandra Sarah Lang diese erste erfolgreiche Mobilität für Bildungspersonal im Bereich Erwachsenenbildung.
Weitere Informationen
Einen Bericht über das Projekt "Europäisches Netzwerk für Prostitution, Gesundheit und Information (ENPHI)" finden Sie in unserem Journal Nr. 32 (Juli 2020) auf Seite 15.