Ein Blick in die Praxis: Internationale Berufskompetenzen erwerben - Internationale Zusatzqualifikationen mit Auslandsaufenthalt
Die Möglichkeit, europäische Zusatzqualifikationen schon während der Ausbildung zu erwerben, ist eine Win-Win-Situation für Auszubildende und Arbeitgeber gleichermaßen. Die Auszubildenden erweitern so ihr internationales Fachwissen und ihre Fremdsprachenkenntnisse, sie schärfen das eigene Profil und werten ihren Berufsschulabschluss auf. Die Arbeitgeber wiederum profitieren nicht nur vom Kompetenzzuwachs ihrer Auszubildenden, sondern nutzen das Angebot von Zusatzqualifikationen gezielt im Rahmen ihres Ausbildungsmarketings.
Christoph Jüttner, Geschäftsführer bei der Feldhaus Fenster + Fassaden GmbH & Co. KG bestätigt: „Die Zusatzqualifikation Europaassistent/-in stellt ein attraktives Alleinstellungsmerkmal in Vorstellunggesprächen dar und wirkt bei der Ausschreibung von Ausbildungsplätzen.“ Das Thema Internationalität sei dabei stets präsent, beispielsweise über die aktiv beworbene ausbildungsbegleitete Zusatzqualifikation zum Europaassistenten und die Möglichkeit zu einem mehrwöchigen Auslandsaufenthalt im Rahmen der Ausbildung.
Qualifikationstrend Internationalisierung
Entsprechend dem Berufsbildungsgesetz wird unter einer Zusatzqualifikation eine Maßnahme verstanden, die über das Ausbildungsberufsbild hinaus zusätzliche berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Zusatzqualifikationen richten sich an Auszubildende in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf. Sie werden vor allem von Ausbildungsbetrieben, Berufsschulen, Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern und deren Bildungszentren angeboten. Internationale Zusatzqualifikationen bilden einen Schwerpunkt unter den angebotenen Zusatzqualifikationen. In der Datenbank AusbildungPlus sind im November 2019 insgesamt 756 internationale Zusatzqualifikationen erfasst. Diese Zusatzqualifikationen beinhalten meist mehrere Bausteine, die in der Kombination eine umfassende internationale Qualifizierung der Auszubildenden ermöglichen.
Europäische Zusatzqualifikationen mit Erasmus+-gefördertem Auslandsaufenthalt
Zu den Bausteinen internationaler Zusatzqualifikationen gehören in der Regel internationale Fachkenntnisse, erweiterte Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen, IKT-Kenntnisse wie z.B. der europäische Computerführerschein sowie ein mindestens dreiwöchiger Ausbildungsabschnitt im Ausland. Eine Bestandsaufnahme in Erasmus+-Mobilitätsprojekten zeigt, dass Berufsschulen, Kammern und Unternehmen europäische Zusatzqualifikationen mit integrierten Auslandsaufenthalten anbieten. Am häufigsten kommen zum einen der Europakaufmann bzw. die Europakauffrau (IHK) und Zusatzqualifikationen mit vergleichbaren Inhalten wie z.B. Kauffrau/Kaufmann für internationale Geschäftstätigkeiten, Industriekaufleute EU und Internationales Wirtschaftsmanagement vor, zum anderen der/die Europaassistent/-in (HWK, IHK). Mit dem Europaassistenten erfolgte die erstmalige Entwicklung einer international ausgerichteten Zusatzqualifikation für Auszubildende im Handwerk im Jahr 2005 auf Initiative von Handwerkskammern in Nordrhein-Westfalen und unter Leitung des Westdeutschen Handwerkskammertags. Neben dem Fremdsprachenunterricht stehen Europäisches Waren- und Wirtschaftsrecht, Interkulturelle Kompetenzen und Europa- und Länderkunde auf dem Unterrichtsprogramm. Zusätzlich wird ein Ausbildungsabschnitt von mindestens drei Wochen im Ausland absolviert. Die Zusatzqualifikation richtet sich an alle Berufsgruppen. Anita Urfell, Leiterin der Kontaktstelle Ausland an der Handwerkskammer Münster, war schon an der Entwicklung des/der Europaassistenten/Europaassistentin im Handwerk beteiligt und beschreibt den Nutzen und die Notwendigkeit so: „Unternehmen haben zunehmend Bedarf an Fach- und Führungskräften, die für grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten qualifiziert sind. Die Zusatzqualifikation „Europaassistent/-in“ mit ihren vielseitigen und international ausgerichteten Inhalten vermittelt entsprechende Kompetenzen. Aber auch Betriebe, die nicht international aktiv sind, profitieren von der größeren Eigenständigkeit und Flexibilität der Absolventinnen und Absolventen.“ Viele deutsche Unternehmen können nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so qualifizieren, dass sie über die Landesgrenzen hinaus mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten und kommunizieren können. Unternehmen benötigen z.B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Außenhandelskenntnissen. Diese notwenigen internationalen Qualifikationen sollten schon in der Ausbildung vermittelt werden.
Unterstützungsstrukturen und Finanzierungsmöglichkeiten nutzen
Die Zusatzqualifikationen und der damit verbundene Unterricht wird vor allem an den Berufsbildenden Schulen angeboten und von den zuständigen Stellen geprüft und zertifiziert. Bei der Organisation der integrierten Auslandsaufenthalte erhalten die Teilnehmenden häufig Unterstützung durch Mobilitätsberaterinnen und -beratern an den Kammern oder durch die Erasmus+-Koordinator(inn)en an den Berufsschulen. „Insbesondere die Praxisphase im Ausland trägt gravierend zur Entwicklung der Persönlichkeit bei. Das Erasmus+-Programm ist dabei das wichtigste Förderinstrument und macht die Auslandsaufenthalte erst möglich“, so Urfell.
Mehrwert Zusatzqualifikation
Die Studie der NA beim BIBB „Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung 2017“ zeigt, dass sich Betriebe hochwertige Zertifikate wünschen, die die im Ausland erworbenen Kompetenzen dokumentieren. Diesem Wunsch kann zum einen mit einer Erfassung, Prüfung und Zertifizierung der im Ausland erworbenen Lernergebnisse durch den Europass Mobilität Rechnung getragen werden, zum anderen durch die Einbettung des Auslandsaufenthalts in eine internationale Zusatzqualifikation.
Peter Macziek, Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Firma Hansa Tec Hebe- und Zurrtechnik GmbH ist vom Mehrwert seiner Zusatzqualifikation überzeugt: „Durch die Zusatzqualifikation habe ich die Kompetenz für die Abwicklung von Außenhandelsgeschäften erlangt. Für diese bin ich nun in meinem Betrieb zuständig.“ Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Angebot von internationalen Zusatzqualifikationen mit Auslandsaufenthalt eine Win-Win-Situation für Auszubildende und Unternehmen darstellt.
Wie wichtig und aktuell die Diskussion um internationale Qualifikationen in der Berufsausbildung ist, zeigt auch die Entscheidung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft sowie den Sozialpartnern dem Bundesinstitut für Berufsbildung eine Weisung zu erteilen, einen „Kompetenzbaukasten Internationale Handlungskompetenz´“ zu entwickeln (siehe S. 7 f.). Mit Blick in die Zukunft ist es wünschenswert und auch immer wahrscheinlicher, dass es in international-affinen Berufen eine bundeseinheitliche Zusatzqualifikation „Internationale Berufskompetenz“ geben wird.
2019, Kristin Wilkens, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Mobilität und Internationalisierung der Berufsbildung