English and more
Spachlernangebote für Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch gibt es zuhauf. Doch wie sieht das Angebot für "seltene Sprachen" aus? Wie gehen Bildungseinrichtungen in anderen europäischen Ländern mit dem Thema um? Die Volkshochschule Bonn wollte es genau wissen und hat sich in Dänemark, Österreich, Rumänien, Spanien und Italien umgesehen.
31.03.2016, von Christina Budde
Wien, am Morgen: die Bonner VHS-Direktorin Dr. Ingrid Schöll und ihre Kolleginnen machen sich auf den Weg in verschiedene Volkshochschulen der Stadtbezirke. Sie tauschen sich mit den Wiener Kollegen und Kolleginnen vor Ort aus, recherchieren, machen Handy-Fotos. Wien, am Abend: voller neuer Eindrücke kehren die VHS-ler belebt zurück und werten ihre Erfahrungen gemeinsam aus, auch mal in einem Kaffeehaus. Nicht nur in Wien, sondern auch in Kopenhagen, Bozen, Bukarest und Girona, nicht nur in Volkshochschulen, sondern auch in andere öffentliche und private Sprachschulen sind die Bonnerinnen während des Erasmus + Projektes „English and More“ ausgeschwärmt. Ihr Ziel: Antworten auf eine Frage zu finden, die den weiteren Kurs der VHS betrifft.
Lohnt es sich, seltene Sprachen anzubieten?
Was Schöll und ihre Kolleginnen und Kollegen wissen wollten, war: Lohnt es sich für eine Bildungseinrichtung auch in Zukunft, „seltene“ Sprachen anzubieten? Wie gehen die Kollegen in anderen europäischen Ländern mit dem Thema um? Und schließlich: Ist die VHS Bonn mit ihrem umfangreichen Angebot von 28 Sprachen gut aufgestellt oder soll sie dem Trend folgen, sich auf deutlich weniger Sprachen zu beschränken?
„Diese Entwicklung haben in den letzten Jahren schon viele öffentliche und private Bildungsträger für Sprachen vollzogen“, erläutert Bettina Kröll, Fachbereichsleiterin Sprachen an der VHS Bonn. Vor allem Englisch dominiere, weil es für die meisten Teilnehmenden direkt beruflich verwertbar sei. Danach folgen Spanisch, Französisch oder Italienisch mit weniger als 50 Prozent des Englisch-Anteils. Seltene Sprachen würden zunehmend weniger angeboten.
Bonn jedoch trotzt bislang dem Trend: Hier werden auch Persisch, Altgriechisch oder sogar Quechua, eine seltene Andensprache, angeboten. Nicht nur in Anfängerkursen, sondern bis hin zu höheren Niveaustufen. Kein Wunder: in der ehemaligen Hauptstadt leben 180 Nationen. „Die Bonner wollen, dass wir viele Sprachen anbieten“, sagt Direktorin Schöll. Gerade wird Arabisch besonders nachgefragt. Wahrscheinlich weil viele ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer von Flüchtlingen sich wenigstens mündlich verständigen können möchten. Nur Armenisch und Nepalesisch seien nicht zustande gekommen, sagt Fachbereichsleiterin Kröll. Von 120 Kursen in nichtromanischen und nichtenglischen Sprachen nur 10 Ausfälle, das ist eine ungewöhnlich hohe Durchführungsquote. Doch lässt sich das auch in Zukunft halten?
Wie sieht es im europäischen Ausland aus?
Bei ihren Informationsbesuchen in Dänemark, Österreich, Rumänien, Spanien und Italien stellten die Bonner unter anderem fest:
- Öffentliche und private Anbieter von Sprachkursen unterscheiden sich. Die öffentlich geförderten Organisationen bieten ähnlich wie Bonn viele verschiedene Sprachen an, allerdings nicht immer mit der gleichen Durchführungsquote wie Bonn. Doch der ökonomische Druck steigt.
- Vor allem in privaten Fremdspracheninstituten dominiert die prüfungs- und berufsbezogene Vermittlung des Englischen, sie gilt als Voraussetzung für berufliche Ein- und Aufstiege; eine Zweitsprache wird nur dann als notwendig angesehen, wenn es spezifische berufliche Anforderungen gibt. Hier findet eine klare Orientierung am Markt statt.
- In den Zielländern hat die Muttersprache als Migrationssprache ebenfalls einen wachsenden Stellenwert, insbesondere in den Gebieten mit wachsender Arbeitsmigranten-Bevölkerung (u.a. Italien/ Südtirol und Dänemark)
- Einige kleinere Länder und/oder Regionen bieten Nachbarschaftssprachen an und begründen dies auch politisch (s. Girona: Katalanisch; Südtirol: Ladinisch).Rumänien und Dänemark konzentrieren sich auf unmittelbare Nachbarschaftssprachen.
- Sonstige seltene Sprachen werden kaum angeboten (am meisten Arabisch, Chinesisch und Russisch). Als Gründe wurden u.a. genannt: Nachfrageprobleme, Durchführungsgarantie über mehrere Semester, fehlende Qualifikation bei den Kursleitenden, ökonomische Überlegungen.
Austausch berührt und baut Brücken
„Die Menschen in den Partnerorganisationen persönlich zu erleben ist etwas völlig anderes als nur am Telefon zu sprechen oder E-Mails auszutauschen,“ ist Projektleiterin Ingrid Schöll überzeugt. Bettina Kröll ergänzt: „Es ist so schön zu merken, dass wir alle Lernende sind. Das Projekt hat uns alle bereichert und motiviert. In Bukarest wollte der Rezeptionist des Hotels uns beispielsweise gleich ein paar Brocken Rumänisch beibringen. Voller Enthusiasmus hat er uns Wörter vorgesprochen, uns jedes Mal gelobt, egal wie schlecht unsere Aussprache war. Das war rührend.“ Sprachen bauen Brücken.
„Nicht nur wir haben von dem persönlichen Austausch profitiert“, sagt Schöll, die das Projekt initiiert hat. So will die VHS Bonn zukünftig mit den Kopenhagener Partnern in Sachen digitale Sprachberatungs-Plattform zusammenarbeiten. „Hoch leben die Netzwerke“, sagt Schöll. Auch die europäischen Partner wie beispielsweise die Wiener Volkshochschulen seien von den Bonnern Ideen zur Kursorganisation oder zur Durchführungssicherung von Kursen inspiriert gewesen. Auch über das Gastgeschenk der Bonner VHS freuten sich die Projektpartner: sie hatten eine Studie zum Thema „andere Sprachen an deutschen Volkshochschulen“ beim Deutschen Institut für Erwachsenenbildung in Auftrag gegeben. Die Analyse hilft auch den europäischen Partnern bei der Standortbestimmung.